Am 24. Oktober ist „Tag der Bibliotheken“, der Einblicke in die über 9000 Bibliotheken in Deutschland bietet. Eine solche Bibliothek gibt es auch in der Villa ten Hompel. Sie steht in erster Linie den Mitarbeiter*innen des Geschichtsortes zur Verfügung, um Schüler*innen, Polizist*innen, Ausstellungs- und Vortragsbesuchenden Themen des Hauses auf Basis neuester Forschung zu vermitteln. Diese Themen sind vielfältig: die Entwicklung nationalsozialistischer Herrschaftsstrukturen, die Rolle der Polizei im ‚Dritten Reich‘, Antisemitismus, Antiziganismus, Entnazifizierung, Entschädigungsverfahren, aktueller Rechtsextremismus… Die Villa ten Hompel ist zudem bemüht, allen Interessierten zu helfen, die zu diesen Themen in anderen Sammlungen nicht fündig werden. Nach Voranmeldung können sie einzelne Titel vor Ort einsehen.
Der Zugang zum ca. 3500 Bücher umfassenden Bestand Rara ist dagegen an Forschungsvorhaben gebunden. Die Zahl dieser Publikationen aus Weimarer Republik, der NS- und Nachkriegszeit wächst beständig, weil viele Besucher solche Dachbodenfunde aus dem Nachlass ihrer Eltern und Großeltern sehr verantwortungsbewusst der Villa übergeben, damit sie nicht in falsche Hände geraten.
Seit 2017 wird die Bibliothek von Ingrid Lueb betreut. Sie ringt dabei auch mit den Altlasten, denn in der Anfangszeit wurde angesichts leerer Regale allzu breit gesammelt. Da der Platz jedoch begrenzt ist, müssen nun ca. 9000 Bücher auf Relevanz und korrekte Klassifizierung überprüft werden.
In beiden Tätigkeitsbereichen – Bibliothek und Besucherdienst – erlebt die 68jährige sehr viel Positives: Sie begegnet vielen junge Menschen, die sich mit diesem schmerzhaften Teil deutscher Geschichte beschäftigen und sich sehr in einer demokratischen Gesellschaft engagieren, aber auch Eltern, die darüber intensiv mit ihren Kindern im Gespräch sind oder sich darauf vorbereiten.
Die Historikerin betont, wie sehr sie selbst in der Villa durch die Beschäftigung mit den ‚ganz normalen Männern‘ – so der Titel des bedeutenden Buches von Christopher Browning – für ihr Forschungsthema ‚Kardinal von Galen‘ profitieren konnte. In Graf Galens Wahlspruch ‚Nicht Lob nicht Furcht‘ sieht sie eine passende Richtschnur für uns alle.
Gefragt, ob es in der Bibliothek ein Buch gibt, das sie besonders beeindruckt hat, nennt sie die von Feliks Tych und Alfons Kenkmann herausgegebene Sammlung: „Kinder über den Holocaust“. Diese Interviews, die unmittelbar nach Kriegsende mit überlebenden jüdischen Kindern entstanden sind, haben sie trotz ihrer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit den Themen verstört und fassungslos zurückgelassen. „Aber“, so Lueb „es ist eine Verpflichtung, diese Abgründe des Menschseins an sich heranzulassen, um zu begreifen und daraus Konsequenzen zu ziehen.“ Dafür ist auch die Bibliothek da.