Zerstörung und Wiederaufbau
Kiepenkerldenkmal, Am Spiekerhof
Der bis heute sehr bekannte westfälische Mundartdichter Augustin Wibbelt (1862-1947) hat 1909 für den Westfälischen Volkskalender das zitierte Kiepenkerl-Gedicht verfasst, das treffend und in volksnaher Sprache Person, Charakter und Profession dieser auch heute noch gern genutzten Symbolgestalt beschreibt.
De Kiepenkerl
Ick gaoh vergnögt dör’t ganze Land,
Den Eekenknüppel in de Hand,
Up’n Nacken mine Kiepe,
In’n Mujnd de kuotte Piepe.
So geiht’t de aollen Hieggen langs
In Sunnenschien dör Blomen mangs
Un mangs in Sturm un Riäggen –
Un met mi geiht Guotts Siäggen.
Ick kenn se alle wiet un siet:
Hier wuhnt de Friäd un do de Striet,
Verscheiden Lüd‘ un Hüse
Un üöwerall sind Krüse.
Von Hus to Hus dör’t ganze Land
Do süht un häört man allerhand –
Ick will de Kiep afstellen
Un Ju en lück vertellen.
Min Waort is nao de aolle Welt,
Siliäwen häff’k mi nich verstellt.
Well dat nich kann verdriägen,
Kann gaohen minetwiägen.
Vertellen wi’ck van allerlei –
Kumm, Jüngsken, sett di up min Knei !
Haolt ! Erst de Piep utkloppen
Un rask ne friske stoppen !
Bemerkenswert ist, dass 1992 Ulrich Backmann eine illustrierte Materialsammlung mit Berichten, Erzählungen, Gedichten, Liedern, Texten unter dem Titel „Wi staoht fast. Kiepenkerle in Westfalen” herausgegeben hat (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Haltern, V.B.E.Köster (Hg.), Bd. 5)
Zum Wiederaufbau:
In einer Sitzung des von der Britischen Besatzungsmacht eingesetzten Rates vom 5.11.1945 hielt der neue städtische Dienststellenleiter der Bauverwaltung Heinrich Bartmann ein Grundsatzreferat zum Wiederaufbau:
„Heute soll eine alte Stadt ganz neu erstehen. Nicht, dass wir sie nach dem alten Münster kopieren sollten. Nein, neue Formen sollen aus dem unsterblichen Geist der Landschaft geprägt werden. Mit Ehrfurcht und gesundem Gefühl ist der alte Stadtgrundriß entsprechend unserer heutigen Lebensweise abzuwandeln. Das, was an Erhabenem und kräftig Bürgerlichem noch steht, muß mit Liebe ergänzt, gepflegt und umhegt werden. (…) Die alten Bauten können, wenn sie rettungslos dahingegangen sind, nicht auferstehen, es sei denn als Mumien. Wir wollen die aussichtslosen Versuche der Wiedererweckung aus den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende nicht wiederholen. Aber Pate stehen sollen die alten Männer und Matronen, wenn innerhalb der Promenaden neue Bauten, neue Straßen und Plätze aus der Taufe gehoben werden.“
(Quelle: Amt Ms 10 1/2 S. 32)
Aus den allgemeinen Richtlinien für die Stadtplanung, vorgetragen von Baudirektor Heinrich Bartmann in der Ratssitzung vom 21.2.1947:
„Die Mittel der Stadtbaukunst – Maßstab , Proportion, Gefüge, Einheit, Kontrast, Abstufung der Größen, Auswertung der Höhenunterschiede – sind so zu handhaben, daß jeweils das Wesentliche entschieden zum Ausdruck kommt. Ausgangspunkt für alle Entscheidungen und für jede Gestaltung sei das Leben, in der Erkenntnis, daß nur die Schöpfungen von Dauer sind, welche aus dem Leben und für das Leben geschaffen werden.“
(Quelle: VNS Ratsprotokoll, Hauptamt Ms S.68)