Vom Nationalsozialismus zum Wiederaufbau
Stadtmuseum, Salzstraße 28
Fragebögen wurden in den Westzonen Deutschlands im Rahmen der Entnazifizierung eingesetzt. Wer nicht unter die Kategorie der Betroffenen fiel, erhielt den Bescheid: „Vom Gesetz nicht betroffen”. Die Betroffenen wurden von Spruchkammern abgeurteilt.


Bildquelle (obere 3): Hans Galen, Joachim Kuropka, Helmut Lahrkamp (Hg.), Geschichte ori-ginal – am Beispiel der Stadt Münster, Münster 1987, Heft 15, Blatt 8
Entnazifizierung in Zahlen:
Bis 1947 hat die Militärregierung die Entnazifizierungsverfahren in Nord-rhein-Westfalen durchgeführt. 1947-1951 waren die Verfahren in deutscher Hand. Insgesamt sind in NRW ungefähr 800 000 Menschen überprüft worden – das entspricht etwa 10% der Bevölkerung über 18 Jahre.
- 90 – Hauptschuldige und Belastete
- 33 531 – Minderbelastete
- 159 630 – Mitläufer
- 624 568 – Entlastete
Ergebnis: 95% der NRW-Bevölkerung (über 18 Jahre) wurden als Mitläufer oder Entlastete eingestuft.
(Quelle: Politik und Alltag im Gründungsjahr Nordrhein-Westfalen Ausstellung des Landesarchivs und des Landtags, Düsseldorf 2006)
Hannah Arendt – Über „Entnazifizierung”
Die Philosophin Hannah Arendt reiste nach ihrer Emigration in die USA von August 1945 bis März 1950 nach Deutschland.
In ihrem Buch „Besuch in Deutschland” gibt sie ihre Eindrücke über die gerade gegründete Bundesrepublik wieder.
„Die Entnazifizierung beruhte auf der Annahme, es gäbe objektive Kriterien sowohl für eine klare Unterscheidung zwischen Nazis und Nichtnazis als auch für den Aufbau der gesamten Nazihierarchie, vom kleinen Sympathisanten bis zum großen Kriegsverbrecher hinauf. Von Anfang an war das ganze System, das auf Dauer der Parteimitgliedschaft, Rang und Funktion, Datum des Parteieintritts usw. beruhte, sehr kompliziert, und fast jeder war darin einbezogen.
…
Die Ungerechtigkeiten des Entnazifizierungssystems waren so simpel wie monoton: der städtische Müllfahrer, der unter Hitler entweder Parteimitglied werden oder sich nach einem anderen Beruf umsehen musste, verfing sich im Netz der Entnazifizierung, wohingegen seine Vorgesetzten entweder ungeschoren davonkamen, weil sie wussten, wie man diese Sache regelt, oder dieselbe Strafe erhielten wie er; für sie war das natürlich eine viel harmloserer Angelegenheit.
…
Das Entnazifizierungsprogramm stellte einfach eine unmittelbare Bedrohung für den Lebensunterhalt und die Existenz dar, und deshalb versuchte die Mehrheit, den Druck abzuschwächen, indem sie sich systematisch untereinander versicherten, dass die ganze Angelegenheit nicht so ernst zu nehmen sei. Eine derartige Verständigung ist nur mit jenen möglich, die ähnlich kompromittiert sind wie man selber.
…
Dabei war es nicht einmal bewusste Unehrlichkeit, die das Entnazifizierungsprogramm zum Scheitern brachte. Eine ganze Reihe Deutscher, besonders gebildetere, ist anscheinend nicht mehr in der Lage, die Wahrheit zu sagen, selbst wenn sie möchte…”
(Quelle: Hannah Arendt, Besuch in Deutschland, Nordlingen 1993, S. 40ff)
Aufruf zur Trümmerbeseitigung:
Nach der ersten Räumung von Straßen und Grundstücken in Münsters Stadtgebiet direkt nach dem Krieg beschloss die Stadtvertretung am 10. Mai 1946 auch im Auftrag der Militärregierung, dass alle Männer im Alter von 16 – 60 Jahren, die in Münster beschäftigt waren, eine Woche zu Räumarbeiten heranzuziehen seien. Frauen und Mädchen konnten sich freiwillig an den Arbeiten beteiligen.
