Polizeibedienstete aus Deutschland und Österreich an historischen Tatorten in den Dialog über die Vergangenheit ihrer Institutionen und beruflichen Vorgänger bringen und Fragen an ihre heutige berufliche Rolle entstehen zu lassen – dies war das Ziel des Bildungsprojekts „Die Polizei und der Holocaust“, das der Geschichtsort Villa ten Hompel gemeinsam mit der whatmatters ggmbh und dem World Jewish Congress durchführte. Dieses Projekt mündete nun im Mai 2025 an Tatorten der deutschen NS-Ordnungspolizei in und um Warschau, Zamosc und Münsters Partnerstadt Lublin in einem dritten Bildungsteil.

Thomas Köhler und Peter Römer (Geschichtsort Villa ten Hompel) führten das Bildungsprogramm, das aus Mitteln der der Europäischen Kommission finanziert wurde, gemeinsam mit Dr. Andreas Kahrs und Nora Zirkelbach (whatmatters ggmbh) sowie Frank Fischer (world jewish congress) durch. Sie führten die 25 teilnehmenden Polizeibediensteten nun ein drittes Mal binnen weniger Monate zusammen: Standen in den ersten beiden Projektteilen vor allem die historischen Planungsorte polizeilicher Verbrechen in Münster und Wien (Oktober 2024 und Januar 2025) und die damaligen Vor-Ort-Maßnahmen wie gesellschaftlicher Ausschluss und Deportationen im Fokus, so ging es nun an Tatorte in Warschau (etwa das Gebiet des dortigen ehemaligen Ghettos) sowie Verbrechensorte der „Aktion Reinhardt“ wie die Mordlager Belzec und Sobibór.

Besonders eindrücklich waren auch Orte, an denen heute kaum oder keine Erinnerungszeichen an einstige Verbrechen zu finden sind, so etwa der kleinen Ort Józefów, in dem Angehörige des Hamburger Polizeibataillon 101 im Juni 1942 1.500 Jüdinnen und Juden ermordeten.

Die Rolle der Polizei im Holocaust ist auch fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weitestgehend unbekannt. Während das Lager Auschwitz-Birkenau weltweit zu einem Symbol des Holocausts geworden ist, wissen nur wenige Menschen, dass die Hälfte der 6 Millionen jüdischen Opfer erschossen wurden. Hauptakteure bei diesem sogenannten „Holocaust durch Kugeln“ waren – wie auch in Józefów – Angehörige der Polizei aus Deutschland und Österreich. Insgesamt waren deutsche Polizeieinheiten direkt am Mord von mindestens 600.000 Jüdinnen und Juden in ganz Europa beteiligt.

Alle besuchten Orte, ob die durch einen künstlerische Gedenkanlage geprägte Gedenkstätte Belzec, die stark jüdisch geprägte Geschichte des Ortes Wlodawa oder auf den ersten Blick unauffällige Waldstücke, in denen Menschen nach dem Aufstand im Mordlager Sobibór geflüchtet sind, stehen dabei exemplarisch für die historischen Verbrechen der Polizei.

Kahrs, Köhler, Römer und Zirkelbach diskutierten unter diesen örtlichen Eindrücken sowohl Handlungsoptionen der beteiligten Täter, der polnischen Zivilbevölkerung und den Verfolgten wie auch die Bedeutung der historischen Verbrechen für die Institution Polizei heute. Die 25 Teilnehmer*innen aus ganz unterschiedlichen Hierarchie- und Erfahrungsstufen wirken so auch wiederum als Multiplikator*innen in ihre Behörden hinein. Das Projekt wurde zudem wissenschaftlich durch eine Evaluation begleitet, die besonders die Wirkung der historisch-politischen Bildungsbausteine erforschte.

Drei weitere Projektbausteine werden das Projekt „Die Polizei und der Holocaust“ beschließen. Sie richten sich an Multiplikator:innen und Entscheidungsträger:innen aus der Politik und der Aus- und Fortbildung von Polizist:innen in Deutschland und Österreich. Auf Veranstaltungen in Berlin (5. Juni) und Wien (12. Juni) informiert das Projektteam Vertreter*innen aus Politik und Polizei über das Projekt und reflektieren mit diesen die Herangehensweise und Ergebnisse.

Der letzte Schritt im Projekt ist eine transnationale Tagung vom 17.-19. September 2025 in der Villa ten Hompel in Münster. Dort vernetzt das Projektteam Gedenkstätten in Europa und darüber hinaus mit Fachkräften aus der Polizeiausbildung, so dass gemeinsam mit den Teilnehmenden der Bildungsreisen die Relevanz der Auseinandersetzung mit dem Holocaust für die Polizei heute diskutiert werden soll.

Das Projekteitungsteam der Villa ten Hompel und von whatmatters nahe Sobibór (© Thomas Börner)