Historische Räume nutzen und brechen

In diesem Monat geht es um das größte Objekt der Sammlung der Villa ten Hompel: Passend zum 100-jährigen Bestehen möchten wir uns dem Gebäude widmen, in das sich über die Jahrzehnte zahlreiche Kapitel der Zeitgeschichte eingeschrieben haben. Heute stiftet die Hausgeschichte zahlreiche Ausgangs- und Bezugspunkte für die Dauerausstellung sowie die historisch-politische Bildungsarbeit. Der authentische Ort wird vom wissenschaftlich-pädagogischen Team immer wieder neu befragt. Ziel ist es, etwa die Verbrechen der Ordnungspolizei im Zweiten Weltkrieg und die juristische Aufarbeitung der NS-Verfolgung in der Nachkriegszeit greifbarer zu machen, ohne historische Situationen nachzubilden.

Die Fabrikantenfamilie ten Hompel erbaute die Stadtvilla in Anlehnung an einen klassizistisch-barocken Stil im Jahr 1924. Das mittlerweile denkmalgeschützte Haus prägt das Straßenbild des Kaiser-Wilhelm-Rings noch immer. Im Innenraum hat sich jedoch einiges verändert: Der aufwendig gestaltete Parkettboden, Holzvertäfelungen und Stuckverzierungen lassen zwar noch etwas von dem ursprünglichen Prunk erkennen. Doch gemusterte Tapeten, Kronleuchter und Rokokomöbel mussten einer funktionalen, zeitgemäßen Gestaltung weichen; einerseits, um eine barrierearme und einladende Umgebung für Besucher*innen zu schaffen, andererseits, um die historische Atmosphäre der herrschaftlichen Räumlichkeiten anhand von hellen Einbauten und asymmetrischen Bodenplatten bewusst zu brechen.

Ein Beispiel dafür ist der größte Raum im Erdgeschoss, der – entsprechend der patriarchalen Familienhierarchie – als ‚Herrensalon‘ gebaut und mit Einzug des Befehlshabers der Ordnungspolizei zum ‚Generalszimmer‘ wurde. Von hier aus befehligten Heinrich Lankenau und seine Nachfolger mehr als 200.000 Polizisten aus dem damaligen Wehrkreis VI, womit sie zur bürokratischen Steuerung der nationalsozialistischen Massenverbrechen beitrugen. An dieser Stelle befindet sich nun ein gekippter Schreibtisch mit angeschlossener Medienstation, die die Wege der Polizeibataillone durch das besetzte Europa nachvollziehbar macht. So kann das Handeln der Schreibtischtäter in der Villa ten Hompel in einen größeren Kontext eingeordnet werden. Eine subtile Andeutung auf das Hitler-Porträt, das über dem repräsentativen Kamin des ‚Generalszimmers‘ hing, findet sich in der heutigen Dauerausstellung durch einen aufgezeichneten Staubrand. Mit Besuchenden kann an dieser Stelle über Kontinuitäten und Brüche der NS-Ideologie diskutiert werden.

Fassade der Villa ten Hompel (© Stadt Münster/MünsterView)
Generalszimmer um 1940 (© VtH, Dep. 34)
Raum 3, Dauerausstellung „Geschichte – Gewalt – Gewissen“ (© VtH)